Was bedeutet Low-Carb-Ernährung?
Da sich Low-Carb-Ernährungsweisen wachsender Beliebtheit erfreuen, widme ich meinen heutigen Artikel diesem Thema. Was steckt dahinter und welche möglichen Vorteile kann diese Ernährungsform Menschen mit Autoimmunerkrankungen bringen?
“Low Carb” bedeutet erst einmal nur “wenig Kohlenhydrate”. Was dabei wenig ist, möchte ich hier vom Durchschnitt in unserer Gesellschaft ableiten. Dafür verweise ich auf die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), die besagen, dass jeden Tag Kohlenhydratmengen zwischen 220 und 300 g zugeführt werden sollten. Diese Mengen entsprechen etwa 50% und mehr der täglich benötigten Energie. 1,2
Foto: Izzy Boscawen @ Unsplash
Wir schlussfolgern also, dass tägliche Kohlenhydratmengen von weniger als 200 g Kennzeichen von Low-Carb-Ernährungsweisen sind. Manche Experten sprechen sogar eher von 150 g und weniger. Wie dem auch sei, das Spektrum zwischen 150 g und weniger (bis hin zu Null) ist doch recht groß. Groß sind auch die Unterschiede in Bezug auf mögliche Auswirkungen einer Low-Carb-Ernährung innerhalb dieses Spektrums.
Was bietet eine Low-Carb-Ernährung für Menschen mit Autoimmunerkrankung?
Eine Low-Carb-Ernährung wird in den meisten Fällen empfohlen, um überschüssiges Gewicht zu verlieren. Das liegt daran, dass:
- alle verzehrten Kohlenhydrate (außer Ballaststoffe) in unserem Verdauungstrakt letztendlich in Zucker umgewandelt werden,
- dieser Zucker nur in sehr geringen Mengen direkt verwendet werden kann,
- die Speicherkapazitäten für Zucker in unserem Körper recht enge Grenzen haben,
- überschüssiger Zucker in Fett umgewandelt und dann eingelagert wird,
- bei geringem Blutzuckerspiegel (durch Kohlenhydrat-Reduktion) die körpereigenen Hormone helfen, eingelagertes Fett zu mobilisieren und den Zellen als Energie zugänglich zu machen.
Manche Autoimmunerkrankungen gehen mit einem erhöhtem Risiko für Übergewicht einher. Dazu gehört beispielsweise Hashimoto-Thyreoiditis und die damit im Zusammenhang stehende Schilddrüsen-Unterfunktion. Menschen, die davon betroffen sind, können über eine Low-Carb-Ernährung eine Verbesserung oder Erleichterung ihres Körpergewichts erreichen.
Neben der Unterstützung auf dem Weg zu einem gesunden Körpergewicht kann eine Low-Carb-Ernährung aber auch die Entzündungssituation im Körper entschärfen. Das hat damit zu tun, dass Kohlenhydrate unseren Blutzuckerspiegel erhöhen; ein zu hoher Blutzuckerspiegel fördert Entzündungen. 3,4 Reduzieren wir die Kohlenhydratmenge, entwickelt sich auch unser Blutzuckerspiegel nach unten und es entstehen in der Regel weniger entsprechende Entzündungen.
Auch das Hormon Insulin heizt Entzündungen an, wenn es im Übermaß im Körper zirkuliert. Da der Insulinspiegel grundsätzlich als Antwort auf den Blutzuckerspiegel ansteigt, verringert eine Low-Carb-Ernährung auch den Insulinspiegel und kann damit positive Auswirkungen auf das Entzündungsgeschehen haben.
Insulin wird benötigt, um den im Körper zirkulierenden Zucker in unseren Zellen als Energie zu verwenden. In der Regel kann Zucker nur zusammen mit Insulin in die Zellen gelangen. Wusstest du, dass Vitamin C – um in unsere Körperzellen zu kommen – die gleichen Zellrezeptoren benutzt wie Zucker zusammen mit Insulin? Leider “gewinnt” oftmals der Zucker den Kampf um den Eintritt in die Zelle und verweist Vitamin C auf den zweiten Platz (außerhalb der Zelle). Der Grund dafür ist eine höhere Affinität des Zuckers für den entsprechenden Rezeptor. Als Konsequenz ist anzunehmen, dass mit einer Low-Carb-Ernährung das von uns durch Ernährung und Nahrungsergänzungsmittel zugeführte Vitamin C effizienter vom Körper genutzt werden kann. Vitamin C hat vielfältige Aufgaben im menschlichen Körper. Diese gehen vom Schutz vor freien Radikalen über die Bildung von Kollagen, Elastin und anderen Stabilitätsmolekülen, der Beteiligung an der Produktion verschiedener Hormone und auch der Blutproduktion bis hin zur Verbesserung der Eisenaufnahme. Alle diese Aufgaben sind für Menschen mit Autoimmunerkrankungen immens relevant.
Reduziert man die täglich verzehrte Menge an Kohlenhydraten sehr drastisch (weit unter 100 g, oft auch unter 50 g), produziert der menschliche Körper vermehrt sogenannte Ketonkörper, auch Ketone genannt. Nach einer Umstellungszeit können diese vom Körper extrem gut als Energiequelle genutzt werden, insbesondere vom Gehirn. Dr. Vilmos Fux schreibt im Low Carb – LCHF Magazin 7/2017, dass die Verstoffwechslung von Ketonkörpern viel sauberer abläuft als die von Kohlenhydraten.5 Das heißt, es entstehen bei der Verbrennung von Ketonkörpern weniger freie Radikale als bei der Verbrennung von Glukose. Freie Radikale begünstigen Entzündungen, die insbesondere bei Autoimmunerkrankten eingedämmt werden sollten. Dieser Mechanismus wurde im Zusammenhang mit Epilepsie und mit der Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose gut erforscht. 6,7
Weniger Kohlenhydrate – und nun?
Für uns Menschen geht es bei der Ernährung um sogenannte Makro- und Mikronährstoffe. Makronährstoffe liefern uns Energie und dienen dem Aufbau von Geweben und körpereigenen Hilfsstoffen. Zu den Makronährstoffen gehören Kohlenhydrate, Fette und Eiweiße.
Mikronährstoffe liefern im Gegensatz zu Makronährstoffen keine Energie. Sie werden in geringen oder sehr geringen Mengen aufgenommen und haben vielfältige Aufgaben wie die Mithilfe beim Aufbau unseres Körpers, die Aktivierung von Enzymen oder die Entschärfung freier Radikale im Körper. Zu ihnen gehören Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente.
Wenn sich Menschen entscheiden, weniger Kohlenhydrate zu sich zu nehmen, benötigen sie in der Regel mehr von den anderen beiden Makronährstoffen, Fette oder Eiweiße, um Energie zu bekommen und dem Körper die stetige Selbsterneuerung zu ermöglichen. Ob sich durch die Reduktion von Kohlenhydraten eine gesunde (oder gesündere) Ernährung ergibt, lässt sich meiner Meinung nach nicht mit dem alleinigen Blick auf die Verteilung der Makronährstoffe feststellen. Wir sollten auch auf Qualität und Vielfalt der zugeführten Lebensmittel sowie auf die individuelle gesundheitliche Situation achten.
How low can you go? – Wie viele Kohlenhydrate brauchen wir?
Kohlenhydrate dienen uns Menschen als schnelle Energiequelle. Ein gesunder Mensch ohne Diabetes kann in seinem Blutkreislauf für die direkte Energieversorgung nur etwa einen Teelöffel an Glukose mit sich führen. Glukose ist eine Form des Zuckers, den wir über die Nahrung in Form von Kohlenhydraten aufnehmen. Die Speicherform von Glukose nennt man auch Glykogen. Davon kann die Leber etwa 100 und die Muskeln weitere 300 bis 500 g speichern. Ein Überschuss an Glukose wird von der Leber in Fett umgewandelt und im Fettgewebe gespeichert. Das passiert, wenn die Glykogen-Speicher voll sind und die aufgenommene Glukose im Blut den “gesunden Teelöffel” übersteigt. Sie können sich vorstellen, dass die Fettspeicher unseres Körpers im Vergleich zu den Zuckerspeichern nahezu unerschöpflich sind.
Experten schätzen, dass bei einem Menschen mit “normaler” Ernährungsweise das Gehirn und die anderen Organe zusammen etwa 150 g Glukose am Tag benötigen, um ganz grundlegende Funktionen aufrecht zu erhalten. Diese Glukose-Anforderung kann allerdings signifikant nach unten gehen, wenn wir Fette und Eiweiße gegenüber Kohlenhydraten bevorzugen. Menschen, die ihr Leben und ihre Ernährungsweise entsprechend umgestellt haben, benötigen täglich lediglich ungefähr 50 g Glukose und haben so die Notwendigkeit, Kohlenhydrate zu essen, schon ziemlich reduziert. Das absolute Minimum an Glukose, die allein für unser Gehirn gebraucht wird, beträgt zwischen 20 und 50 g am Tag.
Es wird noch interessanter: unser Körper (genauer gesagt: die Leber) kann Glukose selbst herstellen! Die Leber macht das genau dann, wenn nur wenige Kohlenhydrate über die Ernährung zugeführt werden. Neben Glukose kann die Leber in diesen Fällen auch noch eine Glukose-Alternative herstellen, die bereits oben erwähnten Ketonkörper.
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Wenn wir die täglich zugeführte Kohlenhydratmenge auf 20 g oder weniger reduzieren, ist die körpereigene Produktion von Ketonkörpern sehr wahrscheinlich. Eine Voraussetzung dafür ist ein niedriger Glukosespiegel und zusätzlich ein niedriger Insulinspiegel im Blut. Insulin ist quasi DAS Masterhormon in unserem Körper, das ansteigt, sobald der Glukosespiegel steigt und unter anderem dafür sorgt, dass Fett in unserem Fettgewebe eingelagert wird.
Für eine Ketonproduktion verwendet die Leber Fette, die aus unserer Ernährung oder aber aus unseren Fettspeichern kommen können. Unsere Gehirn-, Herz- und auch Muskelzellen können Ketonkörper als Energie genauso gut – manchmal auch besser – verwenden als Glukose. Das bedeutet: nicht einmal für unser Gehirn müssen wir Kohlenhydrate essen, da die körpereigene Glukose- und Ketonproduktion den Energiebedarf des Gehirns decken kann. Wir brauchen kein einziges Gramm Kohlenhydrate, um eine gute und sehr gute Energiegewinnung für alle Zellen unseres Körpers sicher zu stellen! Bitte lass dir das einmal auf der Zunge zergehen.
Erste Schritte in Richtung Low-Carb-Ernährung
Für die allermeisten Menschen mit Autoimmunerkrankungen empfehle ich eine Low-Carb-Ernährung. Gleichzeitig rate ich, sich Schritt für Schritt an das Thema heran zu tasten. Wenn du bis heute eine konventionelle Mischkost bevorzugt hast und morgen deine Kohlenhydratmenge radikal reduzierst, ist das ein extremer Schritt, den nur wenige Menschen langfristig durchhalten können.
Gehe in kleinen nachhaltigen Schritten vor und reduziere Zucker und Weißmehlprodukte als erstes, bis du sie ganz weglassen kannst. Notiere die Veränderungen, die du an dir selbst feststellst! Wenn du diese beiden Schritte erfolgreich umgesetzt hast, bist du dem 150-Gramm-Bereich und damit der Low-Carb-Ernährung wahrscheinlich ein bedeutendes Stück näher gekommen. Du kannst nun weiter Getreideprodukte reduzieren und eliminieren, um die Kohlenhydrate weiter zu senken.
Übrigens: wenn du dich gemäß der Paleo-Idee oder auch laut Autoimmunprotokoll ernähren, hast du im Normalfall die größten Quellen für Kohlenhydrate schon ausgeschlossen.
Die Informationen in diesem Artikel sind für dich vielleicht gar nicht so neu. Für Viele klingen sie interessant, aber der Unterschied zwischen Low-Carb- und konventioneller Standard-Ernährung kann sich einfach übermächtig anfühlen. Wenn du es trotzdem angehen willst, ist es hilfreich, weitere Unterstützung zu bekommen. Aus diesem Grund habe ich meine Facebook-Gruppe “Know-How-Transfer über Nährstoffe, die ankommen” gegründet. Sehen wir uns dort?
1 DGE. Referenzwerte “Energie”. https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/energie/
2 DGE. Referenzwerte “Kohlenhydrate, Ballaststoffe”. https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/kohlenhydrate-ballaststoffe/
3 Shinji Kawahito, Hiroshi Kitahata, Shuzo Oshita 2009. Problems associated with glucose toxicity: Role of hyperglycemia-induced oxidative stress
4 Ian Spreadbury 2012. Comparison with ancestral diets suggests dense acellular carbohydrates promote an inflammatory microbiota, and may be the primary dietary cause of leptin resistance and obesity
5 Dr. med. Vilmos Fux 2017. Low Carb – LCHF Magazin für Gesundheit und ketogene Ernährung. Ketogene Ernährung, ja oder nein? 16.
6 Mithu Storoni, Gordon T. Plant 2015. The Therapeutic Potential of the Ketogenic Diet in Treating Progressive Multiple Sclerosis
7 Kristin W. Barañano, Adam L. Hartman 2008. The Ketogenic Diet: Uses in Epilepsy and Other Neurologic Illnesses
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Franziska hat sich auf die Bedürfnisse von Menschen mit Autoimmunerkrankung(en) spezialisiert. Dabei richtet sie ihr Handeln an der menschlichen Natur aus: jeder Schritt zu "mehr Mensch" ist ein Schritt in Richtung gesteigerter menschlicher Gesundheit. Das bedeutet auch, durch gesunde Ernährung und Lebensweise Krankheiten möglichst gar nicht erst zuzulassen. Franziskas Artikel liefern nicht nur Wissen sondern auch Rezeptideen, denn sie ist durch ihre eigene gesundheitliche Reise zu einer kreativen Köchin geworden.
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